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Bewegung und psychische Gesundheit

DIE POSITIVEN AUSWIRKUNGEN VON KÖRPERLICHER AKTIVITÄT.



Depressionen sind die häufigste psychiatrische Störung bei Menschen in fortgeschrittenem Alter. 8 bis 16% aller in der Gemeinschaft lebenden älteren Erwachsenen (>= 65 Jahre) weisen klinisch signifikante depressive Symptome auf. Depression gilt auch als Risikofaktor für die Entwicklung einer Demenz. Obwohl das Krankheitsbild der Depression routinemäßig mit Antidepressiva und psychologischer Therapie behandelt werden, haben andere therapeutische Alternativen in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen. Insbesondere kommt körperliche Aktivität dabei immer mehr in den Fokus der Aufmerksamkeit. Antidepressiva führen häufig zu unerwünschten Nebenwirkungen, insbesondere bei älteren Menschen.


Zu den Gründen, warum körperliche Aktivität Depressionen verbessern könnte, gehört die Erkenntnis, dass es dabei zu Veränderungen des Endorphin- und Monoaminspiegel bzw. einer Verringerung des Stresshormons Cortisol kommt, was die Stimmung verbessern kann. (Hidalgo et al., 2021)


Experimentelle Studien wiesen nach, dass der depressionsmindernde Effekt von Bewegung vergleichbar ist mit psychotherapeutischen Behandlungen oder mit Therapien basierend auf Antidepressiva. (Scherder, 2016)


In einer Studie von Hidalgo et al. (2021) wurden 347 Probanden mit leichter bis mittelschwerer Depression im Alter von >= 65 Jahre in einer randomisierten klinischen Studie nach dem Zufallsprinzip in 2 Gruppen eingeschlossen. Die Interventionsgruppe absolvierte ein 6-monatiges Bewegungsprogramm, die Kontrollgruppe erhielt eine Behandlung mit Antidepressiva. Ziel der Studie war es, den Unterschied zu eruieren, welche der beiden Maßnahmen effektiver ist. Das betreute Bewegungsprogramm bestand aus zwei einstündigen Sitzungen pro Woche über einen Zeitraum von 6 Monaten (insgesamt 48 Sitzungen in Gruppen von 10-12 Personen). Die Sitzungen umfassten eine Kombination aus aerober Ausdauerbelastung, Krafttraining, Training für mehr Beweglichkeit sowie Übungen zur Verbesserung des Gleichgewichts. Im Laufe der Sitzungen wurden die Teilnehmer dazu motiviert, ihre körperliche Aktivität zu steigern, sodass sie täglich mindestens 30 Minuten mäßig intensiven Sport betrieben. Die Gruppe mit der medikamentösen Therapie erhielt vom Hausarzt eines auf ihre Bedürfnisse abgestimmtes Antidepressivum.


Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Rückgang der depressiven Symptome anfänglich bei beiden Behandlungsgruppen ähnlich war, mittelfristig war jedoch die medikamentöse Therapie überlegen, vermutlich aufgrund der hohen Abbruchrate in der Gruppe mit dem Bewegungsprogramm (Intention-to-treat-Analyse). Es sind daher zusätzliche Studien erforderlich, die Motivationsstrategien miteinbeziehen, um die Einhaltung von Bewegungsprogrammen zu verbessern.


Da jedoch körperliche Aktivitäten synergistische Wirkungen erzeugen, profitieren auch andere Krankheitsbilder wie Bluthochdruck, Adipositas, Diabetes, etc. davon und wirken sich somit auch positiv auf das allgemeine Wohlbefinden aus. Weiters ist zu beobachten, dass soziale Interaktionen durch gemeinsame sportliche Aktivitäten bei Menschen mit depressiven Symptomen oder aber auch bei Menschen mit dementiellen Symptomen zu positiven Effekten führt.


Personen, bei denen sich eine pharmakologische bzw. psychologische Behandlung als nicht wirksam erwiesen hat, oder aufgrund ihrer zahlreichen unerwünschten Neben- und Wechselwirkungen kontraindiziert ist, sollte körperliche Aktivität ein fester Bestandteil des Tagesablaufes sein.


MECHANISMEN DIE ZU STIMMUNGSAUFHELLENDEN EFFEKTEN FÜHREN


In einem Artikel von Hollmann et al. (2003) mit dem Titel „Gehirn & Sport – Standards der Sportmedizin“ wurden die Endorphin- und Serotoninveränderungen, die den vielfach berichteten stimmungspositiven Einfluss bei körperlicher Aktivität bewirken, untersucht.

Bei den Probanden wurde im Zuge einer Ergometerbelastung ein Anstieg von Tryptophan im Blut beobachtet, bei gleichzeitigem Rückgang von verzweigtkettigen Aminosäuren (BCAA). Hierdurch wird Tryptophan (Vorstufe des Neurotransmitters Serotonin) der Eintritt in das Gehirn über die Blut-Hirn-Schranke erleichtert, wodurch im limbischen System vermehrt Serotonin gebildet wird. Dadurch kann ein stimmungsaufhellender Effekt eintreten.


Moderates Ausdauertraining vergrößert die Anzahl von 5-HT-Transportern auf den Thrombozyten (5-HTT ist ein Protein der Zellmembran, das den Transport des Neurotransmitters Serotonin in die Zelle ermöglicht). Diese Veränderungen sind jedoch nach gleicher Beanspruchung bei jahrelang ausdauertrainierten Personen nicht gefunden worden. Somit ließen ausdauertrainierte Athleten eine geringere serotonergische Aktivierung durch körperliche Belastung erkennen aufgrund von vollzogenen metabolischen Adaptionen. Im Gegensatz dazu führte bei untrainierten Personen ein moderates Ausdauertraining zu einem Anstieg der Zahl von thrombozytären 5- HT2A-Rezeptoren, während eine Abnahme nach einem intensiven Trainingsprogramm beobachtetet wurde. Damit bewirkt Ausdauertraining spezifische Veränderungen im serotonergen System in Abhängigkeit von der Belastungsintensität und der Leistungsfähigkeit des Sportlers.


Ein moderates Ausdauertraining wirkt demnach effektiver auf die psychische Gesundheit als ein intensives Trainingsprogramm. Auch profitieren Personen, deren körperliche Leistungsfähigkeit nicht so ausgeprägt ist, mehr von aeroben Ausdauertraining, als gut trainierte Personen.

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